Handzeichnungen



Die Sammlung der Handzeichnungen ist eine der bedeutendsten Spezialsammlungen der Welt zum Thema Theater und umfasst mehr als 130.000 Blatt an Bühnenbild-und Kostümentwürfen, Schauspielerporträts und Theaterarchitektur. Bühnenbild- und Kostümentwürfe sind Arbeitsmaterialen, dienen den Theaterwerkstätten als Vorlagen und unterliegen damit anderen Gesetzmäßigkeiten als Gemälde oder freie Zeichnungen. Während der Reiz mancher Blätter gerade in ihrem Entwurfscharakter liegt, verleihen anderen ihre zeichnerische Könnerschaft und Schönheit den Rang eines eigenständigen Kunstwerkes.

Die in der Sammlung enthaltenen Bühnenbildentwürfe spiegeln auch die Entwicklung des Bühnenraumes, von der barocken Illusionsbühne über die Guckkastenbühne des 19. Jahrhunderts hin zum Bedeutungsraum unserer Tage.

Zu den bedeutendsten Konvoluten der Sammlung Handzeichnungen zählen die 400 Bühnenbild-, Kostüm-sowie Festgestaltungsentwürfe von Lodovico Ottavio Burnacini (1636-1707), der bestimmenden künstlerischen Persönlichkeit der Wiener Oper im Hochbarock. Im Dienste des Kaisers angefertigt bilden sie eine einmalige Quelle der Kunst,-Theater-und Musikgeschichte der Zeit Leopolds I.  Der Bestand an barocken Handzeichnungen umfasst weiters die Entwürfe der  Bühnenbildner-und Theaterarchitektenfamilie Galli Bibiena, von Giacomo Torelli (1608-1678) und Andrea Pozzo (1642-1709) sowie die 300 Kostümzeichnungen des Rokokokünstlers  Daniele Antonio Bertoli (1677-1743). Die Ursprünge dieses kostbaren Bestandes sind der Theater-und Sammelleidenschaft der habsburgischen Familie zu verdanken.

Besonders reich vertreten in der Sammlung Handzeichnungen sind die Künstler des 19. Jahrhunderts: Die Theatermaler Guiseppe, Carlo und Anton Brioschi, Johann und Hans Kautsky, Hermann Burghart, Heinrich Lefler und Francesco Angelo Rottonara unterhielten einflussreiche und stilprägende Theaterateliers und statten die aufwendigen Produktionen der Wiener Hofoper und des Hof - Burgtheaters aus. Die rund 10.000 erhaltenen Blätter gewähren einen einmaligen Einblick in die Wiener Aufführungs-und  Ausstattungspraxis von 1830 bis 1918. Rund 4000 Kostümentwürfe, darunter sehr viele von Franz Gaul, geben Aufschluss über die Kostümgeschichte dieses Zeitraumes an den Wiener Hoftheatern. Erstaufführungen von Richard Wagner und Guiseppe Verdi an der Wiener Oper sind damit ebenso dokumentiert wie die Ur-und Erstaufführungen Friedrich Hebbels, Franz Grillparzers oder Arthur Schnitzlers am Burgtheater. 

Einer der wichtigsten Bestände des Österreichischen Theatermuseum stellt der Nachlass des österreichischen Bühnenbildners und sezessionistischen Grafikers Alfred Roller (1864-1935) dar. Neben Edward Cordon Craig (1872-1975), der ebenfalls reich in der Sammlung vertreten ist, und Adolphe Appia gehörte Roller zu jenen Bühnenbildern des beginnenden 20. Jahrhunderts, die die Bühne aus dem  Illusionismus des Historismus heraus in die Moderne führten. Die richtungsweisende Zusammenarbeit Rollers mit dem Wiener Hofoperndirektor und Komponisten Gustav Mahler ist durch zahlreiche Bühnenbild-und Kostümentwürfe in der Sammlung ebenso vertreten wie Rollers Arbeiten mit Max Reinhardt, Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal. Legendäre Aufführungen wie „Tristan und Isolde“ (Hofoper 1903), „Der Rosenkavalier“ (Hofoper 1911) oder „Jedermann“ (Salzburg 1920) entsprangen Rollers unermüdlichem Einsatz für die Bühne.

Der Sammelleidenschaft Joseph Gregors, dem Begründer der Theatersammlung der Wiener Nationalbibliothek, sind umfangreiche Konvolute zur europäischen Avantgarde der 20er und 30er Jahre zu verdanken; darunter befinden sich Entwürfe des italienischen Futuristen Enrico Prampolini  (1894-1956) sowie der russischen AvantgardekünstlerInnen Alexandra Exter (1882-1949), Michael Larionow (1881-1964), Natalia Gontscharowa (1881-1962) und Vladimir (1899-1982) und Georg Stenberg (1900-1933).

Große Konvolute umfassen die Arbeiten Emil Pirchans (1884-1957), dem Wegbereiter des modernen deutschen Bühnenbildes der 20er und 30er Jahre, und Remigius Geylings (1878-1974), dessen Entwürfe stilistisch vom Jugendstil bis zum Expressionismus reichen. Ein Großteil des Nachlasses von Caspar Neher (1897-1972), dem kongenialen Bühnenbildner Bertolt Brechts, wird ebenfalls im Theatermuseum aufbewahrt. Nehers Entwürfe zur „Dreigroschenoper“ oder zum „Leben des Galileo Galilei“ zählen zu den Inkunablen der modernen Literatur-und Theatergeschichte.

Österreichische Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts wird dokumentiert durch den großen Nachlass des Architekten und Bühnenbildners Oskar Strnad (1879-1935) und seines Schülers Otto Niedermoser (1903-1976). Der prominente Architekt Clemens Holzmeister (1886-1983) wurde im Bereich des Theaters vor allem durch seine Arbeiten für die Salzburger Festspiele berühmt. Oskar Laske (1874-1951) schuf für Max Reinhardt am Theater in der Josefstadt Bühnenbilder von höchster malerischer Qualität. Die großen Nachlässe von Fritz Judtmann (1899-1968) Robert Kautsky (1895-1962) und Gottfried Neumann-Spallart (1915-1983) geben Zeugnis über die  Aufführungen der 50er und 60er Jahre. Durch den Erwerb der Arbeiten von Rudolf Heinrich (1926-1975) und Reinhard Heinrich (1935-2006) konnte die Sammlung durch die Entwürfe zu Ausstattungen prominenter deutscher Aufführungen, beispielsweise zu zahlreichen Inszenierungen der Bayreuther Festspiele, ergänzt werden.

Die Sammlung Handzeichnungen wird durch die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen BühnenbildnerInnen und KostümbildnerInnen laufend erweitert und versteht sich damit nicht nur als historisches Archiv, sondern auch als  Schnittstelle zwischen aktueller Theaterpraxis, Museum und Forschung.

Öffnungszeiten

Montag - Donnerstag
10 - 16 Uhr
Freitag
10 - 13.30 Uhr

Terminvergabe ausschließlich nach mündlicher oder schriftlicher Voranmeldung.

Kontakt

Leitung
Dr. Rudi Risatti
Kurator
rudi.risatti@theatermuseum.at

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