Die Musikwelt feiert 2014 den 150. Geburtstag von Richard Strauss. Schon zu Lebzeiten äußerst erfolgreich, wurde Strauss vor allem als Opernkomponist in aller Welt geschätzt und seine herausragende Stellung in der Musikgeschichte ist auch 65 Jahre nach seinem Tod unbestritten. Obwohl er seinen Lebensmittelpunkt im bayerischen Garmisch hatte, unterhielt er zahlreiche Verbindungen nach Wien. Vor allem die engen Kontakte zu dem Dichter Hugo von Hofmannsthal, dem Bühnenbildner Alfred Roller und seinem letzten Librettisten Joseph Gregor verbanden ihn mit der Stadt. Zudem war er zwischen 1919 und 1924 – gemeinsam mit Franz Schalk – Direktor der Wiener Oper.
Die Jubiläumsausstellung des Theatermuseums zeigt zum Teil erstmalig eine Auswahl der reichen Strauss-Bestände von insgesamt 525 Korrespondenzstücken, Musik- und Werkautographen aus dem hauseigenen Archiv. Im Zentrum der Präsentation stehen die Opern Salome, Elektra, Der Rosenkavalier und Die Frau ohne Schatten, die jeweils unterschiedliche Schaffensperioden des Komponisten markieren. Zu den drei letztgenannten Werken schuf Hugo von Hofmannsthal die Libretti und Alfred Roller die Ausstattungen. Dank der umfangreichen Korrespondenz zwischen Richard Strauss und den beiden Künstlern sind wir in der seltenen Lage, die Zusammenarbeit von Komponist, Librettist und Bühnenbildner in allen Phasen verfolgen zu können. Durch Roller nahmen die Schöpfungen von Strauss und Hofmannsthal auf der Bühne Gestalt an; seine überwältigende, symbolhafte Gestaltung des Löwentores zu Mykene in Elektra wirkte lange Zeit hindurch stilbildend. Ebenso berühmt wurde Rollers Ausstattung zum Rosenkavalier, der in Dresden uraufgeführt wurde und kurze Zeit später in Wien zu sehen war.
Aber auch weniger bekannte Werke sind in der Schau vertreten: die beiden Ballette Schlagobers und Josephs Legende, zu denen das Museum Bühnenbildentwürfe und Kostümfigurinen besitzt, die bis dato noch nie öffentlich gezeigt wurden.
Nach dem Tod Hugo von Hofmannsthals 1929 schien für Strauss sein Opernschaffen beendet zu sein. 1931 kam es jedoch zur Zusammenarbeit mit Stefan Zweig, der Strauss als möglichen Stoff Ben Jonsons Die schweigsame Frau vorschlug; als besonderen Schatz verwahrt das Theatermuseum Zweigs handschriftliches Libretto. Die Uraufführung im Juni 1935 kam nur unter großen Schwierigkeiten zustande und die Oper wurde nach nur vier Aufführungen abgesetzt. Strauss’ eigene umstrittene Rolle während der NS-Zeit, wie seine Funktion als Präsident der Reichsmusikkammer, wird in diesem Zusammenhang beleuchtet.
Ein Filmraum mit historischen und aktuellen Ausschnitten gewährt abschließend einen lebendigen Eindruck des musiktheatralischen Schaffens dieses bedeutenden Komponisten. Die Ausstellung wurde von Christiane Mühlegger-Henhapel und Alexandra Steiner-Strauss kuratiert und von Gerhard Veigel gestaltet.
Im Rahmen dieser Ausstellung fand am 22. und 23. Jänner 2015 ein Symposium mit namhaften Experten statt. Der von Christiane Mühlegger-Henhapel und Alexandra Steiner-Strauss editierte Tagungsband wird ab 4. September 2015 erhältlich sein.
Nachzulesende Komponierqualen
Im Wiener Theatermuseum, das nun die Ausstellung Trägt die Sprache schon Gesang in sich ... Richard Strauss und die Oper zeigt, präsentiert man Briefdokumente, die auch um Strauss' skandalträchtigen Wiener Abschied kreisen. Insgesamt ist die - von Christiane Mühlegger-Henhapel und Alexandra Steiner-Strauss kuratierte und von Gerhard Veigel gestaltete - Schau auch eine gute Möglichkeit, nicht nur die Intrigenästhetik jener Tage zu studieren. Ebenso wird jene der Oper und des Strauss'schen Schaffensprozesses erhellt.
Erstaunlich reich sind nämlich die dokumentarischen Bestände des hauseigenen Archivs: Man traf eine Auswahl aus 525 Korrespondenzstücken, Musik- und Werkautografen, wobei Salome, Elektra, Rosenkavalier und Die Frau ohne Schatten ein zentraler Leitfaden der Präsentation darstellen. Insbesondere wird dabei anhand von Briefen Strauss' Zusammenarbeit mit Librettist Hugo von Hofmannsthal und Ausstatter Alfred Roller thematisiert. Deren schriftliche Kommunikation zeugt von der nicht immer simplen Genese von Inszenierung und Werk. Es wird jedoch auch leichtere optische Kost geboten: Bühnenbildentwürfe, zahllose Künstlerfotos und opulente Kostüme.
Und: Selbst an einer modernen Glasharmonika schlendert man vorbei, die daran erinnern soll, dass Strauss den Klang dieses raren Instrumentes der Frau ohne Schatten angedeihen ließ. Thematisiert wird aber auch die 1931 beginnende Zusammenarbeit mit Stefan Zweig, der das Libretto zur Schweigsamen Frau schrieb.
Zweigs handschriftliche Ausformung ist dabei ebenfalls zu sehen wie auch, dass die Uraufführung 1935 - die Nazis waren schon an der Macht - schwer an der düsteren Zeit litt. Auch die heikle, naive bis berechnende Rolle des Präsidenten der Reichsmusikkammer Richard Strauss wird gestreift. Diese allerdings würde wohl auch eine eigene Ausstellung verdienen.
DER STANDARD, Ljubisa Tosi
Bürgerschreck und Schlagobersschläger
Warum der "Rosenkavalier" nicht "Ochs" heißt und andere Anekdoten: Das Theatermuseum blickt in die Künstlerwerkstatt des Richard Strauss.
Auch das ist ein Aha-Erlebnis. Nein, es waren nicht die Musicalkapitalisten aus Übersee, die den Grundsatz prägten: "Du willst meinen Hit? Dann schluck das Gesamtpaket!" Richard Strauss war da deutlich früher dran. Nämlich schon 1911. Wer den "Rosenkavalier" nachspielen wollte - und das waren nach dem Dresdner Triumph nicht wenige -, musste auch die Ausstattung von Alfred Roller übernehmen. Eine erstaunlich frühe Blüte des Franchise-Systems.
Ein Fundort für solche Pointen ist nun das Theatermuseum. Rechtzeitig zum 150. Geburtstag des wohl letzten Operngenies widmet es diesem eine Schau, und sie ist interessanter geworden, als der vergrübelte Titel ahnen lässt ("Trägt die Sprache schon Gesang in sich . . ."). Zum Beispiel, apropos Titel: Wäre es nach Strauss gegangen, hätte seine erfolgreichste Zusammenarbeit mit Hugo von Hofmannsthal ganz anders geheißen, nämlich "Der Ochs". Aber, ätzte Strauss brieflich, "was will man machen. Hofmannsthal liebt das Zarte, Ätherische, meine Frau befiehlt Rosenkavalier. Also Rosenkavalier. Der Teufel hole ihn!"
Strauss-Briefe gibt es im Theatermuseum bis zum Abwinken: Mehr als 500 Korrespondenzstücke besitzt man; eine Auswahl erhellt nun die Geburt so unterschiedlicher Bühnenwerke wie "Salome" oder "Schlagobers", garniert mit einer stattlichen Anzahl Fotos, Kostümen und Skizzen. Praktisch, dass man hier auch Rollers Nachlass hortet: Das dramatische Talent des Secessionisten, einst von Mahler für die Oper rekrutiert, erweist sich bereits in Kostümskizzen. Da sinnt etwa eine hagere Elektra-Figurine im zerfetzten Kleid auf Rache. Auch ihre Vorgängerin Salome, Strauss’ erste Titelheldin, prangt an der Wand. Ein irreführender früher Erfolg: Der disziplinierte Bürgerkomponist galt damals, 1905, noch als Avantgardist, seine Salome war die Miley Cyrus der Moderne. "Das tu ich nicht, ich bin eine anständige Frau", soll die Uraufführungssängerin gezetert haben. Für die Wiener Hofoper war das zu heiß: Die Zensur sorgte dafür, dass die mords-lüsterne Schleiertänzerin dort erst 1918 ankam.
Was für ein Kontrast zum Strauss von 1924: Während Wien unter der Depression ächzte, brachte die Hofoper ein Ballett ihres damaligen Co-Direktors heraus, und dieses "Schlagobers" schwelgte in Kulinarik: Da überfrisst sich ein Bub in einer Konditorei der Kärntner Straße und träumt dann von kreisenden Kalorienbomben. Taktlos? "Ich kann die Tragik unserer Zeit nicht ertragen. Ich möchte Freude machen, ich brauche das", schrieb Strauss.
Dass er die Verdrängungskunst bis zur Perfektion steigern sollte, verhehlt die Schau nicht. Sie stellt auch jenen Brief aus, in dem Strauss, zum Präsidenten der NS-Reichsmusikammer avanciert, sowohl Antisemitismus aufblitzen lässt als auch - eine bittere Pointe - Goebbels gegen sich aufbringt. Inhalt: Der angeschriebene Stefan Zweig solle seinen Widerstand aufgeben und ihm noch ein Libretto einrichten. Zweig, so appelliert Strauss 1935 an den verfemten Autor, möge sich bitte nicht in seinen jüdischen Stolz steigern. Mit dem - von den Nazis abgefangenen Brief - erreichte er jedoch nur eines: den Verlust seiner NS-Funktion. Bis Kriegsende verkroch er sich in einer mythischen Musiktheaterwelt. Zweigs Urteil: "In Wirklichkeit bekümmerte ihn im Sacro Egoismo des Künstlers nur eins: Sein Werk in lebendiger Wirksamkeit zu erhalten."
Wiener Zeitung, Christoph Irrgeher