ExistenzFest. Hermann Nitsch und das Theater
26.3.2015 - 11.1.2016

ExistenzFest. Hermann Nitsch und das Theater

Mit seinem seit 1957 entstandenen komplexen Gesamtwerk zwischen Malerei und Theater reiht sich Hermann Nitsch in die Geschichte der visionären, die Kunst erweiternden Werkentwürfe ein, die von Monet bis Turell, von Skrjabin bis Artaud, vom Living Theatre bis Christoph Schlingensief reicht. Im Zentrum steht dabei das o.m.theater (Orgien-Mysterien-Theater), ein sechs Tage und Nächte dauerndes Ereignis, welches der Künstler in einem von ihm selbst architektonisch konzipierten, exterritorialen Spielbezirk um Schloss Prinzendorf angesiedelt hat; ein synästhetisch inszeniertes Spiel mit Archetypen. Rauschhafte Existenzerfahrung und kathartisches Erleben sollen Wirkung dieser partizipatorischen, dramatischen und meditativen Erlebniskunst sein.

 

Die von Hubert Klocker kuratierte und multimedial gestaltete Ausstellung legt besonderes Gewicht auf die Vermittlung des ereignishaften Kerns im Werk Hermann Nitschs.

Im Rahmen dieser Ausstellung entstand eine zweisprachige Publikation im Verlag Hatje Cantz, die in unserem Online-Shop erhältlich ist.

Highlights

 

Pressestimmen

Hermann Nitsch: Heiliger Ernst im Kunstelysium
Unabhängig davon, dass man ihn und seine Kunst zeitlebens geschändet und bis in die Gegenwart verfolgt habe; und dass er, der all sein Geld immer in seine Kunst gesteckt habe, nun in finanziellen Nöten stecke: Unabhängig davon also möchte er festhalten: "Ich sage immer begeistert und leidenschaftlich Ja zum Leben. Denn es sind mir auch viele Ehrungen zuteilgeworden, zum Beispiel der Triumph, am Wiener Burgtheater mein Orgien-Mysterien-Theater zu zeigen."

Gut gelaunt saß Hermann Nitsch bei der Pressekonferenz anlässlich seiner Ausstellung ExistenzFest im Theatermuseum zwischen Museumschef Thomas Trabitsch und dem Kurator Hubert Klocker, dem Leiter der Sammlung Friedrichshof. Von ihm, der über das Performative in Nitschs Kunst dissertiert und 1989 die große Aktionismusausstellung in der Albertina kuratiert hatte, fühlt sich Nitsch "sehr, sehr gut verstanden."(…) Nitsch hat allen Grund dazu. Hubert Klocker hat einen gleichermaßen eleganten wie aufschlussreichen Lehrpfad durch das umfangreiche OEuvre des permanenten Grenzüberschreiters geschaffen.

Und das lässt sich tatsächlich nicht kunsthistorisch schubladisieren; Nitschs künstlerisches Tun führt beständig über den Aktionismus hinaus in ein exzessives Kunstelysium, wo sich Theater, informelle Malerei, Literatur, Musik und auch Architektur zu einem synästhetischen Ereignis fügen. (…) Mit Videomitschnitten und Kostümentwürfen erinnert er an Nitschs spektakuläre und bildmächtige Regiearbeiten an großen Theater- und Opernhäusern. (…) Von poetischer Suggestionskraft die eigens für das Theatermuseum geschaffene Video-Rauminstallation. In den Vitrinen teils noch nie ausgestellte Manuskripte und Partituren als kalligrafische Kleinodien. (…) Gleich beim Eingang eine Büste von Ödipus, neben Dionysos und Christus einer der Archetypen in Nitschs Universum.

Seit Mitte der 1950er-Jahre treibt er mit heiligem Ernst die Idee des Orgien-Mysterien-Theaters voran - einer Art Urdrama für alle Sinne, das von Geburt, Leben, Sterben und Wiedergeburt handelt. Es sei Grundexzesserlebnis und Auferstehungsfest, sadomasochistische Ausschweifung und Katharsis, brutale Zerstückelung und harmonisierende Synthese. "Aller Abstieg ins Perverse, Unappetitliche geschieht im Sinne einer heilenden Bewusstmachung." Höhepunkt seiner Vision eines freien und befreienden Theaters war das Sechstagespiel 1998. Eine Version davon noch einmal in Prinzendorf aufzuführen sei sein Traum. (…)“

DER STANDARD, Andrea Schurian

"(…) Ich habe das Gefühl, dass Nitsch hier zu Hause ist - vielleicht mehr zu Hause als in Museen der bildenden Kunst", sagte der Kurator Hubert Klocker bei der Presseführung. "Ich fühle mich sehr verstanden", versicherte Nitsch. "Für mich ist es eine wunderbare Ausstellung." "Normalerweise mache ich alle meine Ausstellung selber und werde unglaublich nervös, wenn man mir irgendwelche Ideen vorschlägt", meinte der 76-jährige Künstler, der sich über das Resultat "verblüfft und sehr glücklich" zeigte, "auch über den tollen Katalog".

(…)Die auf viel Material aus dem mumok zurückgreifende und in Kooperation mit der Villa Stuck in München entstandene Ausstellung, zeigt aber nicht nur den performativen, sondern auch den in alle Richtungen gehenden künstlerischen Ansatz von Nitsch, dessen Arbeit für Klocker "weit über den Wiener Aktionismus hinausgeht.“ Zu sehen sind daher literarische Manuskripte, Spiel- und Klang-Partituren, Kostüme und Kostümentwürfe, Collagen, Tafeln seiner Farbenlehre und sogar Entwurfszeichnungen für einen Gralstempel. Es sind Elemente eines Gesamtkunstwerks, das Hermann Nitsch 1998 in seinem 6-Tage-Spiel in Prinzendorf exemplarisch zusammengeführt hat.

"Mein Traum und Wunsch ist es, in Prinzendorf noch eine Variation des 6-Tage-Spiels zu realisieren. Ich hoffe, dass es mir gelingt in ein oder zwei Jahren", sagte Nitsch heute. "Ich brauche Hilfe, denn ich hab zurzeit kein Geld. Früher hab ich alles selber gezahlt. Aber es wird mir schon gelingen. Und dann kann ich auch abkratzen..."

APA

Blutrausch und Gänsehaut
Das Theatermuseum würdigt das szenische Werk von Bühnenberserker Hermann Nitsch
(…) Aus Empörung wird nun Ehrung:Nach Auftritten im Burgtheater(122. Aktion, 2005), Operninszenierungen in Wien, München und Zürich widmet nun das Österreichische Theatermuseum dem Künstler bis 11. Jänner 2016 eine eigene Ausstellung. "ExistenzFest. Hermann Nitsch und das Theater", kuratiert vom ausgewiesenen Nitsch-Experten HubertKlocker, konzentriert sich ausschließlich auf die Theaterarbeit des 76-jährigen Künstlers.

(…) Dabei überlässt Nitsch nichts dem Zufall, jedes Detail ist bis ins Letzte geplant, sein synästhetisches Werk in seitenlangen Partituren verdichtet. Diese handschriftlichen Manuskripte, eng bekritzelte Seiten, voller Skizzen und Anweisungen, die nur Eingeweihte entziffern können, sind nun im Theatermuseum ausgestellt. Da die Aktionen üblicherweise gut dokumentiert wurden, vermag die Ausstellung mit zahlreichen Fotos, Tonaufnahmen und simultan ablaufenden Videoaufzeichnungen durchaus einen - freilich cleanen - Eindruck des o.m.theaters zu vermitteln.

(…) wird im Theatermuseum deutlich, wie sehr der Skandalcharakter mittlerweile weggefallen ist. Vielleicht ermöglicht erst dieser Abstand zur Aktionskunst dessen Neubewertung? Möglicherweise erweist sich die Omnipräsenz des Körpers in der Aktions- und Performancekunst als letztes Aufbegehren gegen eine immer hybrider und virtueller werdende Welt? Hermann Nitsch zeigte sich in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" jedenfalls als Meister der tiefen Empfindungen - er wolle ein intensives Leben, "ohne Skiurlaub, ohne Mallorca-Urlaub. Ich möchte mich Erlebnissen aussetzen, bei denen ich eine Gänsehaut bekomme."

Wiener Zeitung, Petra Paterno

Mit dem Hodendruck eines jungen Dionysos
Der Meister war immer selbst dabei. Bei all den Ausstellungen, die Hermann Nitsch im Lauf seiner Karriere präsentiert hat, behielt er stets das letzte Wort. Nun gab er die Zügel aus der Hand: Für die Schau "ExistenzFest. Hermann Nitsch und das Theater" konnte Kurator Hubert Klocker das blutige Schaffen des Wiener Aktionisten im Alleingang aufbereiten.

(...) Als Auftakt hört man Nitsch Lyrik lesen. Als junger Mann wurde er stark von den Sprachbildern Georg Trakls oder Arthur Rimbauds geprägt. "Alle diese Herren kommen immer wieder auf das Blut und die Gedärme", bemerkte der Aktionist in einem Interview.

(…) Es wird sehr wenig Malerei, dafür umso mehr Fotografie gezeigt. Eindrucksvoll ist der Raum mit den Fotoserien, die der Verleger Francesco Conz 1975 als Edition herausgebracht hat. Die im Wald bei Nitschs Schloss Prinzendorf entstandenen Schwarzweißaufnahmen bringen in ihrer Unschärfe das Mystische hervor.

Dennoch lässt einen in der Schau der Eindruck nicht los, dass bei Nitsch immer das gleiche Stück gespielt wird. Klocker sieht das O.M. Theater als „additive Konstruktion“, wo eher Variationen als eine Entwicklung vorherrschen. „Nitsch will Mythen nicht dekonstruieren, sondern sie anders formulieren.“ (…)

FALTER, Nicole Scheyerer

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