Felix Salten brachte es auf den Punkt: Die Hauptsache ist das Puppenspiel. Da sind freilich noch Zeichnungen und Bilder, Statuen aus Holz und Alabaster, Figuren in Speckstein und in Selenit. Aber das Puppenspiel ist die Hauptsache. Tatsächlich war Teschners symbolistisches Figurentheater, in dem sich das Entrückte mit kühner technischer Innovation verschränkte, die Sublimierung einer ungewöhnlichen künstlerischen Laufbahn. Das Österreichische Theatermuseum besitzt als einen seiner zentralen Sammlungsbestände den Nachlass Richard Teschners 81879 bis 1948) und widmet dem „Magier von Gersthof“ nun eine umfangreiche Ausstellung.
Der in Karlsbad geborene Künstler machte seine Anfänge im Prag der Jahrhundertwende. Dort schuf er als Maler und Grafiker eine grotesk-märchenhafte, schaurige und teilweise auch schwülstig-erotische Poetik, welche die Werke einer ganzen Reihe von Zeitgenossen wie Alfred Kubin in Erinnerung ruft.
Seit 1909 in Wien ansässig, entwickelte Tschner ein eigenes pantomimisches Figurentheater. Von meditativen Klängen des Polyphons untermalt, sollten sich die Figuren - ob zierliche Prinzessinnen oder schrullige Fabelwesen - lediglich durch ihre Bewegung mitteilen.
Das Theatermuseum zeigt eine Ausstellung zu Richard Teschner. Der Fin-de-Siècle-Künstler aus Prag hat das Figurentheater raffiniert erneuert
Wien - Ein unglücklich verliebter Bäckerlehrling stürzt sich in den Ziehbrunnen, fällt auf einen Haufen ekeligen Gewürms, hackt dem dort ebenfalls knotzenden Basilisken den Kopf ab und kehrt mit der Trophäe siegreich auf die Erdoberfläche zurück. Für diese Art Geschichten braucht es die Mittel des Films - oder des Figurentheaters.
Richard Teschner (1879- 1948), Künstler aus Prag und ab seinem dreißigsten Lebensjahr in Wien tätig, hatte eine Vorliebe für Fantasy-Geschichten mit erotischer Schlagseite. Dafür entwickelte er ein ungewöhnliches, technisch höchst raffiniertes Puppenspiel, das ihn Anfang des 20. Jahrhunderts neben Paul Brann und Ivo Puhonný zu einem Erneuerer des Figurentheaters machte.
Teschners Interesse am Figurentheater war bildnerisch motiviert. So war sich der gut vernetzte Künstler, der als Grafiker und Designer auch bei den Wiener Werkstätten tätig war, schon früh darüber im Klaren, dass es verkehrt sei, mit den Mitteln des Figurentheaters das Schauspielertheater nachahmen zu wollen. Wenig Realismus, viel Magie war seine Devise. Teschner hat dafür den sogenannten Figurenspiegel erfunden, eine Technik, bei der Stabpuppen in einem Hohlspiegel mit Lichteffekten agieren und so ein intimes, von minimalistischen Klängen begleitetes, entschieden wortloses Spiel ergeben. Die menschliche Stimme erschien Teschner für diese Form "bewegter Malerei" unpassend.
Geruch von Schwefel
Für diese trickreichen Bühnenbilder hat Teschner wie in einem Labor experimentiert. Einen Einblick in dieses Schaffen gibt derzeit die Ausstellung Mit diesen meinen zwei Händen. Die Bühnen des Richard Teschner im Österreichischen Theatermuseum, kuratiert von Kurt Ifkovits und Ivan Ristic, gestaltet von Gerhard Veigel. Teschner ließ etwa die sichtbaren Effekte chemischer Reaktionen live projizieren, um geheimnisvoll wabernde Hintergrundbilder zu erhalten. So wie heute im DJ-Club.
"Harnstoff", so führt der Wiener Puppenspieler Klaus Behrend im Video aus, "kristallisiert so schön wie Eiskristalle". Und so überzieht beispielsweise ein aus Kristallmuster wachsendes Bild düstere Szenen. Die Geruchsbelästigung hält sich in Grenzen, höchstens hinter der Bühne wird man hie und da Schwefel gewahr, so Behrend.
Von dieser geheimnisvollen Bildgebung lebt beispielsweise das schwülstige Stück Traum im Karneval (1930, auch als Film): Ein Galan und seine Angebetete werden von drei Männern beim Turteln gestört, woraufhin die Dame nächtens im Traum einer Verfolgungsfantasie erliegt. Mit polarisiertem Licht hat Teschner hier schummrige Traumbilder erzeugt.
Anfangs hat Richard Teschner nur javanische Stabpuppen verwendet (viele der Motive gehen auch auf javanische Sagen zurück), später auch andere, jede Einzelne höchst edel gebaut und bekleidet. Zwischen 1912 und 1948 hat der Puppenbauer 140 Figuren entworfen, die derzeit nach und nach restauriert werden (mit Patenschaften versucht das Theatermuseum die Kosten dafür zu decken).
Teschner konnte dank seiner Gattin Emma Bacher, einer Fabrikantenwitwe, ein finanziell unabhängiges Leben führen, und kam durch sie auch mit Gustav Klimt in Kontakt (von dem er sich dann die Künstlerkittel-Mode abgeschaut hat).
Dass es ihm an politischer Sensibilität mangelte, er mit Leni Riefenstahl Filmpläne wälzte und gar einen "Ehrenabend für die NSDAP" veranstaltete, dämmte in späteren Jahren seine Wirkmacht ein.
DER STANDARD, Margarete Affenzeller
"Mit diesen meinen zwei Händen…“ nennen die Kuratoren Kurt Ifkovits und Ivan Ristic eine reiche und auch abwechslungsreiche Ausstellung über Leben und Werk des vor allem wegen seines Figurentheaters bekannten Künstlers Richard Teschner. Die luftige Ausstellungsarchitektur für die "Bühnen des Richard Teschner" hat Gerhard Veigel geplant. Im Begleitprogramm sind auch Aufführungen von Teschners Figurenspielen zu sehen. „Die ‚Teschner-Gemeinde’ umfasste fast alle Einflussreichen der Wiener Kunst- und Kulturszene“, schreibt Alys X. George, Germanistikprofessorin mit Spezialgebiet Wiener Moderne an der New York University, im lesenswerten Katalog der Ausstellung. „,Beim Teschner gewesen zu sein, wurde noch vor der Zwischenkriegszeit fast eine kulturelle Notwendigkeit.“ So verwundert es nicht, dass Richard Teschner auch mit der Wiener Tanzszene regen Kontakt pflegte. Die Tänzerinnen ließen sich von den Gesten und Bewegungen seiner Figuren inspirieren und er besuchte ihre Vorstellungen, um sich Anregungen zu holen.
tanz.at, Ditta Rudle
Theatermuseum zeigt Richard Teschners magisches Universum
E.T.´s Vorfahren
Fantastische Figuren, mit abstehenden Kabeln am Kopf und Schrauben als Ohren, zarte Prinzessinnen, geschnitzt aus Holz, und mit seidigen Gewändern kostümiert, elfengleiche Tänzerinnen, die ihre Pirouetten am dünnen Faden drehen: Richard Teschner (1879-1948) hat ein erstaunliches Puppentheater-Universum erschaffen.
Das Österreichische Theatermuseum widmet dem Figurenmagier nun eine umfassende Retrospektive. Unter dem Titel "Mit diesen meinen Händen . . ." wird der Werdegang des tschechisch-österreichischen Künstlers nachgezeichnet. Die Ausstellung stützt sich dabei auf den 10.000 Objekte umfassenden Nachlass, der sich im Besitz des Museums befindet. Dieser außergewöhnliche Fundus ermöglicht freilich eine besonders ansprechende Schau: Zahlreiche Fotos, Dokumente und Briefe erzählen von der Kindheit und Jugend in Karlsbad, führen zu den Anfängen Teschners am Theater und skizzieren seine Beziehungen zu den Prager Künstlern der Jahrhundertwende. In Prag schuf er als Maler und Grafiker in seinen Bildern eine grotesk-märchenhafte Poetik, die an Zeitgenossen wie Alfred Kubin erinnert. Exzentriker und Mystiker
1909 zieht der Rastlose schließlich nach Wien. Der damals 30-Jährige ist zu diesem Zeitpunkt kein Unbekannter in der Wiener Kunstszene, er hat sich als Kunsthandwerker einen Namen gemacht und findet bald Anschluss an die Wiener Werkstätte.
Auch aus dieser Schaffensperiode findet sich Eindrucksvolles in der Ausstellung - wie Glasmosaikbilder im Jugendstil und Teschners Innenausstattung etwa für das Palais Kranz.
Die Prunkstücke der Ausstellung sind freilich Teschners fein ziselierte Puppen und seine nicht minder kunstvoll gefertigten Bühnen - der Goldene Schrein, eine ganz in Gold getauchte Puppenbühne, und der Figurenspiegel, der die herkömmliche Guckkastenbühne durch einen kreisrunden, verglasten Ausschnitt ersetzt.
Bei Teschner, der sich selbst gern mit schwarzem Priestergewand zum Mystiker stilisierte, ist der Hang zum Okkulten und Esoterischen allgegenwärtig. Die Schau rückt dies ein wenig in den Hintergrund. Statt der offenkundigen Exzentrik gilt das Augenmerk mit Recht seiner vielseitigen künstlerischen Begabung.
Wiener Zeitung, Petra Paterno