1. Dezember 2016 bis 20. März 2017
Es war eine aus England stammende Mode, die seit dem Biedermeier „die Bretter, die die Welt bedeuten“ in die bürgerlichen Wohnzimmer Österreichs brachte.
Theaterbegeisterte Familien bastelten aus Ausschneidebogen, die in Papiergeschäften erstanden werden konnten, Kulissen und Figuren nach. Sie gaben die Illusion von Tiefe und Raum der großen Bühnen perfekt wieder und ermöglichten einer faszinierten Anhängerschaft, das zeitgenössische Repertoire der großen Theater und Opernhäuser nachzuspielen.
Kuratorin und Sammlungsleiterin Karin Neuwirth hat einen beeindruckenden Querschnitt durch die Sammlung des Theatermuseums und das Thema konzipiert. Das Ausstellungsdesign stammt von Elisabeth Truxa.
Die Ausstellung wird von einer Website begleitet, die die Höhepunkte der Ausstellung in attraktiver, informativer und spielerischer Form aufgreift.
Grafik nach einer kolorierten Lithographie. Druck: Winkelmann & Söhne, Berlin um 1860
Historisches Museum Frankfurt, Foto: © Horst Ziegenfusz
Das Theatermuseum zeigt eine Ausstellung zur Papiertheaterleidenschaft im 19. Jahrhundert.
Den Wienern wird gemeinhin eine besondere Theaterbegeisterung nachgesagt. Auf welch lange Tradition diese Vorliebe für das Bühnenspiel tatsächlich fußt, davon kann man sich nun im Theatermuseum ein Bild machen.
... Zeitnah nach großen Bühnenerfolgen konnte man demnach Papierfiguren (in Form so genannter "Mander(l)bögen) und Bühnenbilder bei Trentsensky erwerben, um das Gesehene zu Hause nachzuspielen. Diese Parallelen veranschaulicht die Ausstellung im Theatermuseum, indem Bilder der historischen Kostümentwürfe und die entsprechenden Doppelgänger in Papierform einander gegenüberstellt werden...
Für Liebhaber nostalgischer Papierwunder bietet die Schau erlesene Fundstücke und Raritäten, schließlich war das Papiertheater fragiler Gebrauchsgegenstand, der bespielt und benutzt wurde und nur selten erhalten blieb...
Exemplarisch für das Zusammenwirken von papiernem und realem Bühnengeschehen mag Franz Xaver Tolds "Der Zauberschleier" sein. ... Einen Eindruck davon vermittelt das im Museum ausgestellte Papiertheatermodell.
Ein eigener Ausstellungsraum ist dem ... Märchenspiel "Prinzessin Wunderhold" gewidmet... Das Märchen wurde Szene für Szene digital animiert und ist nicht nur im Museum, sondern auch via YouTube zu erleben.
Auch der Ausstellungskatalog wanderte ins Internet, ... , vielmehr findet man auf der Homepage des Museums ein Digitorial. Die Ausstellungsmacher fanden eine zeitgemäße Darstellung für die nostalgischen Sammlerobjekte.
Wiener Zeitung, Petra Paterno, 21.12.2016
Papiertheater: Die "artistische Anstalt" im eigenen Wohnzimmer
Als es noch keine Bildschirme gab, die die Aufmerksamkeit auf sich lenkten, fanden Menschen, vornehmlich jene, die auf ihr bürgerliches Heim etwas hielten, im Papiertheater eine ideale Form der häuslichen Beschäftigung...
Der insbesondere zwischen 1820 und 1880 beliebten Papiertheaterpraxis widmet das Österreichische Theatermuseum in seinen Parterreräumen eine schöne, kleine Ausstellung. ... einige Exponate, die die Bandbreite der Bilderbogenkultur des 19. Jahrhunderts widerspiegeln, wurden nachgebaut, so etwa eine vierstöckige Fastenkrippe, in der biblische Szenen pyramidenförmig angeordnet sind.
Namhafte Künstler wie Moritz von Schwind oder Hans Makart entwickelten Designs für diese Ausschneidebögen. Sie wurden oft den aktuellen Spielplänen der Wiener Bühnen angepasst, bis hin zu den Kostümen der Schauspielstars. Die Ausstellung belegt das mit einem Vergleich von Fotografien und Papiertheaterbögen, etwa von Ferdinand Raimunds Der Bauer als Millionär oder Friedrich Schillers Wilhelm Tell.
...Eine verwandte Form des Papiertheaters war das Mechanische Theater, für dessen Demonstration das Theatermuseum Figuren eigens nachbauen ließ. Wurden mit dem "Theatrum mundi" meist Szenen spektakulärer Ereignisse nachgestellt, so sind in der Schau nur ein paar einzelne Sets aus dem Alltagsleben zu sehen, so etwa Frau mit Trunkenbold, bei dem man als Besucher selbst Hand anlegen kann.
Herzstück der Ausstellung ist aber das Märchenspiel Prinzessin Wunderhold, ein animiertes Papiertheater auf großem Videobildschirm (30 Minuten). ...Sitzt man vor den zum Teil wie Wimmelbilder wirkenden, sich langsam verschiebenden Kulissen, so mag man nachempfinden, wie sich die Zeit vor der Bildschirm-Ära angefühlt haben muss.
DER STANDARD, Margarete Affenzeller, 2.1.2017